Am Freitag, den 25. April 2014, startete ich gegen Mittag mit unserer Z602 in Heinsberg, um meine Ulrike in Nordenham/Blexen (EDWT) abzuholen, wo sie ein paar Tage Urlaub bei ihrer Mutter gemacht hatte. Der Hinflug verlief trotz ziemlicher Turbulenzen relativ ereignislos, so dass ich nach ca. 1:45h Flugzeit und einem Direktanflug auf der Piste 09 in Blexen (1.000m Grasbahn entlang des Deichs) aufsetzte. Herr Günther Wührmann, Vorsitzender des Premium Aerotec Weser-Luftsportverein e. V., hatte sich, wie so oft schon, bereit erklärt, den Platz für meine Landung und anschließenden Start zu öffnen. An dieser Stelle: Vielen Dank, Herr Wührmann, für Ihre wiederholten Bereitschaften, mich auf „Ihrem“ Platz zu empfangen.

Blick auf die 09 in Blexen (links unten im Bild/roter Strich), rechts unten im Bild Blexen, im Hintergrund auf der anderen Seite der Wesermündung Bremerhaven:

Blexen09a

Nach einer kurzen Stärkung ging es auch schon ca. 45 min später wieder in die Luft, weil zum späteren Nachmittag hin Gewitter im südlichen Niedersachsen und Rheinland angesagt waren. Ca. 15 min hinter Stadtlohn bekamen wir im Funk (Langen Information) mit, dass die Gewitterfront kurz davor war, den Westen zu erreichen. Also etwas Gas nachgeschoben, um vielleicht doch noch vor der Front wieder in Heinsberg zu sein. Eine halbe Stunde später, Heinsberg lag schon fast in Sichtweite, sahen wir, dass die Öldruckanzeige springend Werte zwischen 4 und 7,5 bar anzeigte. Da die letzten 10 min Flug nach Heinsberg, von Nordosten kommend, teilweise über ausgedehnte Waldstücke führen und wir uns lediglich in einer Höhe von knapp 2.000 Fuß befanden, schrillten die Alarmglocken in meinem Kopf.

Ich weiß nicht, ob Ihr das kennt, aber einige von Euch werden schon einmal das gleiche Gefühl gehabt haben. In einer solchen Situation hört man Geräusche, die es in der Realität nicht gibt. Auf jeden Fall waren Ulrike und ich uns sofort einig, dass der Motor rauer (die neue Rechtschreibung lässt grüßen) und lauter läuft. Ein kurzer Blick nach rechts verriet uns, dass wir uns fast in Gleitdistanz zum alten Militärflugplatz Brüggen – Elmpt befanden. Aber noch lief unser Motor ja. Natürlich hatte ich, nachdem uns der springende Öldruck aufgefallen war, das Gas stark zurückgenommen, um den Motor im Falle eines Defekts zu schonen und so lange wie möglich „am leben“ zu halten. Nach kurzer Abwägung der Risiken entschlossen wir uns, eine Sicherheitsaußenlandung auf der Piste zu machen. Da wir uns bezüglich der vorherrschenden Windrichtung aber auf der „falschen“ Seite der Piste befanden, hangelten wir uns vorsichtig um den Platz herum, immer daran denkend, dass der Motor augenblicklich stehen bleiben könnte und uns nur noch der Gleitweg bleibt. Im Gegenanflug zur 09 sahen wir, dass in der Nähe der Schwelle Betonklötze auf der Bahn standen. Das sollte aber kein Problem darstellen, da hinter den Klötzen genügend Bahn vorhanden war (insgesamt 2.487 m Asphaltbahn).

Für die, die es nicht wissen, der ehemalige Flugplatz Brüggen wurde lange Zeit von den britischen Besatzungstruppen betrieben. Laut Wikipedia waren hier English Electric Canberra, F-4 Phantom, SEPECAT Jaguar und zum Schluss Tornados stationiert. Der letzte Tornado verließ den Platz am 4. September 2001. Danach wurde der Platz geschlossen. In seinen besten Zeiten standen dort 200 Flugzeuge, und es waren dort ca. 450 Soldaten fliegendes Personal (Navigatoren und Piloten) sowie dazugehörige logistische und verwaltungstechnische Einheiten stationiert.

Nachdem wir uns entschlossen hatten, in Brüggen zu landen, informierten wir Langen Information, dass wir dort wegen Motorproblemen eine Sicherheitsaußenlandung vornehmen würden. Man wünschte uns Glück und der Controller bat darum, dass wir ihm nach geglückter Landung diese kurz telefonisch mitteilen sollten. Querab der (blockierten) Schwelle der 09 gingen wir in einen kurzen Queranflug, um kurz darauf in den Endanflug zu schwenken. Der Motor lief immer noch, wenn auch etwas rau. Zu diesem Zeitpunkt war aber schon abzusehen, dass wir es auch locker ohne Motorkraft über die Betonklötze schaffen würden. In (geschätzt) 200 Fuß glitten wir über das Hindernis, um kurz darauf auf der endlos scheinenden Bahn, die sich in Bestzustand befindet, aufzusetzen. Nachdem wir (gefühlt) weitere 5 min gerollt waren, kam ein Taxiway links in Sicht. Den nutzten wir, um auf den Haupttaxiway zu kommen, der parallel zur Piste führt. Dort angekommen stoppten wir den Motor und rollten an den Rand. Wir stiegen aus und informierten zunächst Langen Information über die geglückte Außenlandung via Handy.

Am Rande des Taxiways gab es eine interessierte Zuschauerin, die gerade ihre Hunde ausführte. Diese sprach ich an und fragte sie, ob es in der Nähe eine Stelle mit „officials“ (sie war Engländerin) geben würde, bei denen wir uns melden könnten. Sie beschrieb mir einen Weg quer durch einen Wald, der bis zur Wache führen sollte. Nachdem wir das Flugzeug abgeschlossen hatten, machten Ulrike und ich uns auf den Weg. Wir waren kaum 500m vorangekommen, als wir auf einer Waldlichtung ein Gebäude, das sich später als Offiziersmesse herausstellen sollte, sahen, auf dessen Terrasse einige Männer ganz offensichtlich ihren Feierabend mit ein paar Bier genossen. Da wir vermuteten, dass es sich bei den Männern um Soldaten oder Angestellte in der Kaserne handelte, beschlossen wir, diese noch einmal nach einer Möglichkeit zu fragen, uns bei einer entsprechenden Stelle zu melden.

Wir wurden sofort „mit offenen Armen“ empfangen. Wir wurden in das Offizierscasino gebeten und nachdem wir kurz unser Problem mit anschließender Landung geschildert hatten, zu einem Getränk eingeladen (zu dem Zeitpunkt noch Cola, da ich dachte, wir kämen am gleichen Tag noch weg). Einer der Männer telefonierte sofort mit der Security und bat diese, sich auf dem Weg zum Offizierscasino zu machen, um unsere Daten aufzunehmen. 10 min später erschien auch jemand, der einige Daten aus unseren Personalausweisen übernahm. Damit war der offizielle Teil unserer Landung dort auch schon überstanden. Danach bestand man darauf, uns und die Umstände unserer Landung näher kennenzulernen. Da mittlerweile schon ein paar Regentropfen fielen und in der Ferne Donner zu hören war, beschlossen wir, an dem Tag nicht mehr zu starten. Nachdem wir das unseren neugewonnenen Freunden mitgeteilt hatten, kümmerte sich Major Newnham, genannt Bob, ganz reizend um einen Hangarplatz für unser UL. Nach ein paar Telefonaten, weiteren 20 min Wartezeit und anschließend einen weiteren Kilometer Rollens konnten wir unsere Z602 in einen Hangar stellen, der den Eindruck machte, als wenn er auch nukleare Angriffe überstehen könnte. Alleine die Tore schienen aus 40cm dickem Stahl zu sein. Nachdem unser „Baby“ gut verstaut war, brachte uns Bob mit seinem Wagen zurück zum Offizierscasino. Man wollte uns noch nicht gehen lassen!

Wir hatten einen sehr unterhaltsamen Abend. Nach einigen Bieren erwähnte Ulrike beiläufig, dass ich am Flugplatz Brüggen einen „Narren gefressen“ hätte, worauf wir dann doch kurz etwas argwöhnisch angeschaut wurden. Eine weitere Runde Bier (Bob war mittlerweile auf Rotwein umgestiegen) wischte dann aber den letzten Zweifel an unserer Dringlichkeit, dort landen zu müssen, vom Tisch.

Herrentoilette des Offiziercasinos in Brüggen, mit sogenannten „head-pads“ über den Pissoirs (ein willkommenes Accessoires nach dem Genuss einiger Biere):

Herrentoilette_Brueggen

Gegen 22:00 Uhr wurden wir dann von Ulrikes Tochter Becky mit dem Auto in Brüggen abgeholt. Wir durften aber erst los, nachdem wir Bob versprochen hatten, am nächsten Tag vor der eventuellen Abholung unserer Maschine mit ihm zusammen ein English breakfast einzunehmen. Er lud uns zum Brunch im Offiziersheim ein. Auch wenn die geringste Chance bestanden hätte, die Einladung auszuschlagen, wir hätten es nicht getan.

Am nächsten Morgen brachte uns Becky wieder nach Brüggen. Nachdem wir gegen 12:30 Uhr ein sehr unterhaltsames Frühstück beendet hatten – Bob hatte noch weitere Kameradinnen und Kameraden (für diejenigen, die nicht beim Bund waren: Im Militär gibt es keine Kollegen, sondern Kameraden) eingeladen – machten wir uns zu einer Sightseeing-Tour per Auto durch den ehemaligen Fliegerhorst Brüggen auf. Bob wusste zu nahezu jedem Gebäude etwas Interessantes zu erzählen. Kleine Geschichte am Rande: Es gibt dort einen 18-Loch Golfplatz. Die Anlage eines Golfplatzes kostet eine hübsche Summe Geld. Damit dieses Geld aus dem Verteidigungstopf der britischen Regierung fließen konnte, überlegte man sich eine Vorgehensweise, die britischen Erfindungsgeist unterstreicht. Man errichtete 18 Hubschrauberlandeplätze auf dem Gelände, die zufällig günstig für die Greens eines Golfplatzes lagen und die zufällig jeweils ein Loch in der Mitte hatten. Man muss sich eben nur zu helfen wissen!

Anschließend ging es dann zum Hangar. Die Z602 wurde von Ulrike alleine unter staunenden Blicken (man vermutete, dass das UL wesentlich schwerer ist) leichthändig aus dem Hangar geschoben. Nachdem ich den Motor komplett sichtgeprüft hatte und keine Auffälligkeiten bemerkte (am Vortag hatte ich noch mit Ralf Dahm gesprochen, der mir versicherte, dass ein hin- und herspringender Öldruck ein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit defekter Öldrucksensor ist), starteten wir den Motor. In meinen Ohren klang er wieder ganz normal, auch die Öldruckanzeige hatte sich normalisiert. Die ebenfalls anwesende Security hatte sich angeboten, kurz vor unserem Start die Piste gegen Betreten Außenstehender zu sichern. Nachdem wir auf dem Flugvorfeld und dem Taxiway einige Rollversuche und Motortestläufe gemacht hatten und alles sehr gewohnt gut klang, entschlossen wir uns, direkt den Taxiway (2,5 km Länge, ca. 60m Breite) zum Start zu benutzen. Der anschließende Flug nach Heinsberg verlief dann auch ohne Zwischenfälle und wir landeten wohlbehalten 15 min später auf der 14.

Mein erster Anruf nach der Landung galt Bob, dem wir eine unvergessliche Zeit verdanken. Ebenso unseren herzlichen Dank an alle, die aus der zunächst misslich scheinenden Lage für uns ein großes, erfreuliches Event gemacht haben. Wir sind froh, Euch kennengelernt zu haben.

Im Juli 2015 werden die letzten Engländer die Javelin-Barracks in Brüggen verlassen. Schade!

Eric